Wie Einsamkeit eine Arschloch-Mentaltität erschafft

Ich möchte heute eine Geschichte über das Thema „Einsamkeit“ mit Ihnen teilen, auf die ich vor kurzem stieß und die mir sehr zu denken gab. Ich möchte auf die bewegenden Hintergründe dann im Anschluss daran eingehen. Hier die Story:

„Letzte Woche war mein Geburtstag und ich fühlte mich nicht wirklich gut, als ich aufwachte. Ich ging runter um zu frühstücken und hoffte, dass meine Frau mir zum Geburtstag gratulieren würde und möglicherweise ein Geschenk für mich hätte. Wie sich dann herausstellte, sagte sie weder „Guten Morgen“, noch „Alles Gute“ oder „Ich liebe Dich“. Ich dachte: „Ok, das ist eben so in einer langjährigen Ehe. Aber die Kinder werden sich an meinen Geburtstag erinnern.“
Meine Kinder aßen und sagten nicht ein Wort. Also fühlte ich mich sehr schlecht und war enttäuscht, als ich zur Arbeit ging. Als ich ins Büro kam, sagte meine Sekretärin Bettina: „Guten Morgen Chef, alles Gute und herzlichen Glückwunsch!“ Es fühlte sich gut an, dass wenigstens irgendjemand sich an meinen Geburtstag erinnert. Ich arbeitete bis 13 Uhr, dann klopfte Bettina an die Tür und sagte: „Sie wissen, es ist ein wunderschöner Tag draußen und es ist ihr Geburtstag, lassen sie uns Essen gehen, nur wir zwei.“ Ich sagte, „Danke Bettina, das ist das Beste was ich heute gehört habe.“

Wir gingen Essen. Aber wir sind nicht dorthin gegangen, wo wir normalerweise waren. Stattdessen waren wir in einem kleinen Restaurant mit einem privaten Tisch. Wir tranken zwei Martinis und genossen das Essen sehr. Auf dem Weg zurück zum Büro sagte Bettina: „Ach wissen Sie, es ist so ein wundervoller Tag. Wir brauchen nicht ins Büro zurückgehen, oder?“ Ich antwortete: „Ich denke nicht. Was haben sie vor?“ Sie sagte: „Lassen sie uns zu mir in meine Wohnung gehen.“ Nachdem wir bei ihr angekommen waren, drehte Bettina sich zu mir hin und sagte: „Chef, wenn es ihnen nichts ausmacht, gehe ich kurz ins Schlafzimmer. Ich bin gleich zurück.“ Ich antwortete nervös: „Ok…“ Sie ging ins Schlafzimmer und, nach ein paar Minuten, kam sie raus und trug eine riesige Geburtstagstorte… gefolgt von meiner Frau, meinen Kindern, und einem Duzend meiner Freunde und Mitarbeiter und alle sangen „Happy Birthday“.
Und ich sitze da….. auf der Couch….. nackt…“

„Arschloch“ oder armes Würstchen?

Was sind Ihre ersten Gedanken, wenn Sie diese Geschichte lesen? Ich kann Ihnen sagen, wie es bei mir war. Nachdem ich zuerst mal richtig lachen musste, blieb mir das Lachen schnell schon etwas im Halse stecken. Klar, die Situationskomik ist irgendwie witzig. Aber wenn ich ehrlich bin, dachte ich mir zuerst: „Boah, dieser Arsch! Ist verheiratet und hat ne Familie die ihn auch noch so nett überrascht, und er will nur mit seiner Sekretärin ins Bett.“ Nachvollziehbarer Gedanke? Klar! Vielleicht waren Ihre ersten Gedanken ja ähnlich.

Doch gibt es nicht auch eine andere Sichtweise, von der diese zwar fiktive, aber durchaus realistische Geschichte betrachtet werden könnte? Ist dieser Ehemann denn wirklich der Arsch? Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch: Sein Verhalten bzw. sein beabsichtigtes Verhalten, seine Ehefrau mit der Sekretärin zu betrügen, ist ein definitives No-Go. Darüber brauchen wir nicht diskutieren. Doch ich interessiere mich an dieser Stelle weniger für das Verhalten von Menschen, als vielmehr für deren Haltung, die zu solch einem Verhalten führt. Denn unser Verhalten ist immer nur eine Folge, unserer inneren Haltung. Was hat dazu geführt, dass dieser Mann eine solche Haltung entwickelte, um sich zu so einer Handlung hinreißen zu lassen? Vielleicht müssen wir, um auf einen Lösungsgedanken zu kommen, diese Geschichte einmal näher betrachten.

Einsamkeit und mangelnde Wertschätzung zerstören die Seele

Der beschriebene Mann, hat eine Ehefrau, die er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einmal liebte und dies vielleicht sogar immer noch tut. Er hat Kinder, die er mit Sicherheit auch liebt, denn jeder Vater liebt im Grunde seines Herzens seine Kinder bzw. seine Familie. Die Geschichte beschreibt allerdings gleich zu Beginn, dass er etwas zu seinem Geburtstag nicht bekommt, wonach er sich offensichtlich sehr sehnt: Liebe, Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Diesen Mangel an Anerkennung fühlt man an Tagen wie dem eigenen Geburtstag noch stärker als sonst. Wird die eigene Erwartung (also die des Mannes) an diesem Tag allerdings enttäuscht, so wird er seine seelischen Verletzungen, die er über die letzten Wochen, Monaten oder sogar Jahre davongetragen hat, noch deutlich stärker spüren. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Besonders am Geburtstag kann man sehr viel Einsamkeit fühlen.

Sicherlich kennen Sie auch Personen, denen es komplett egal ist, wenn sie auch von engen Mitmenschen am Geburtstag „vergessen“ werden. Das kann nur zwei Gründe haben: Entweder fühlt sich das Geburtstagskind nun so alt, dass es am liebsten überhaupt nicht an die neue Jahreszahl erinnert werden möchte. Oder dieser Mensch lebt wirklich im Wohlstand im Bezug auf enge, warme zwischenmenschliche Kontakte, aus denen er viel Anerkennung, Wertschätzung und vor allem Verbundenheitsgefühl zu seinen Freunden oder seiner Familie zieht. Ob er dann an diesem einen Tag vergessen wird, spielt für ihn dann keine Rolle, denn sein Beziehungskonto ist stark im Plus!

Wie steht es um Ihr Beziehungskonto zu Ihren Mitmenschen?

Das Beziehungskonto des Ehemannes aus der Geschichte war offensichtlich seit langer Zeit überzogen und deutlich im Minus. Nur so lässt es sich erklären, dass er so stark und unverzüglich auf die persönliche Zuwendung bzw. Aufmerksamkeit reagierte, die ihm seine Sekretärin entgegenbrachte. Sie nahm ihm seine gefühlte Einsamkeit. Der Mann suchte offensichtlich seelische und dann auch körperliche Nähe. Wenn man ehrliches Interesse an einem Menschen verliert und ihm keine echte Aufmerksamkeit mehr entgegenbringt, dann verändert dies seine Gefühle und innere Haltung. Die Beziehungsebene zu dieser Person stirbt dann, da kein Verbundenheits- und Zugehörigkeitsgefühl mehr vorhanden ist.
Die Qualität einer zwischenmenschlichen Beziehung (egal ob zwischen Mann & Frau, Eltern & Kind oder Chef & Mitarbeiter) erkennen Sie immer daran, wie viel echte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit man sich gegenseitig entgegenbringt. Wird der Umgang miteinander allzu oberflächlich und bestimmte Dinge einfach selbstverständlich, ist dies der Anfang vom Ende. Denn die Folge daraus ist immer eine mangelnde Intensität, mit der die Beziehung zu diesem Menschen dann gelebt wird.

Unter diesem Blickwinkel stelle ich die Frage von oben nochmal neu: Wer ist hier jetzt eigentlich der Arsch? Könnte man nicht auch sagen: Mein Gott, wie geht denn diese Familie mit dem armen Mann um, dass er sich offensichtlich so einsam und übergangen fühlt, dass er dann Nähe bei einem anderen Menschen sucht, die ihm ein bisschen Aufmerksamkeit entgegenbringt?! Wie überflüssig muss er sich vorkommen? Was für eine Einsamkeit muss in ihm vorherrschen? Wie traurig muss er sich fühlen?

Bitte verstehen Sie mich richtig: Es geht mir hier jetzt nicht um eine finale Bewertung der Schuldfrage. Ich habe kein Interesse daran, wer Schuld an solchen Vorfällen hat. Denn einen Schuldigen zu suchen ist erstens meist unmöglich, da die Frage nach der wirklichen Ursache meist subjektiv ist. Und zweitens bringt einen das Ergebnis der Schuldfrage zu keiner erfolgs- sowie zukunftsorientierten Lösung. Es geht vielmehr um die Frage nach der Verantwortung, für diese oder ähnliche Situationen. Wer trägt denn tatsächlich die Verantwortung für das Verhalten des Mannes?
Aus meiner Sicht alle Beteiligten. Der Mann selbst – darüber besteht kein Zweifel, denn sein Verhalten war trotz aller Umstände definitiv respektlos und falsch. Doch auch die Ehefrau und die Kinder sollten sich nach diesem Vorfall in einer ruhigen Minute hinterfragen, wie es eigentlich soweit kommen konnte. Die Frage, „Was fehlt meinem Mann/Vater und wie wenig fühlt er sich von mir offensichtlich wertgeschätzt“, wäre eine verantwortungsvolle Sichtweise, die seine Frau bzw. seine Kinder einnehmen könnten, anstatt sich in die Rolle der armen betrogenen Hunde zu begeben. Die Opferrolle hier anzunehmen wäre zwar menschlich erstmal nachvollziehbar, doch außer Jammerei und Wut lässt sie keine Handslungsoptionen für die Zukunft übrig.

Wie steht es um Ihr Beziehungskonto zu Ihren Mitmenschen? Wie viel zahlen Sie auf das Konto Ihres Partners bzw. Ihrer Partnerin, Ihrer Kinder, Ihrer Freunde, Arbeitskollegen, Eltern oder Ihres Chefs ein? Und wie viel heben Sie täglich ab? Einzahlungen haben Namen wie „Aufmerksamkeit“, „Wertschätzung“, „Lob“, „Anerkennung“, „Respekt“, „Zuneigung“, „Liebe“, „Achtsamkeit“ oder auch einfach „Interesse“. Abhebungen können pauschal bezeichnet werden mit „Schuldzuweisungen“, „Ignoranz“, „persönlicher Kritik“, „Unehrlichkeit“, „Rechthaberei“ etc..

Um es schlussendlich auf den Punkt zu bringen: Jeder Mensch sucht als eines der dringendsten Grundbedürfnis in seinem Leben das Gefühl nach Zugehörigkeit und Verbundenheit. Menschen die sich nicht verbunden fühlen, bleiben ein Leben lang unverbindlich. So wie der Mann in der Geschichte….

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6 Gedanken zu „Wie Einsamkeit eine Arschloch-Mentaltität erschafft

  1. Jeder trägt die Verantwortung für sein Tun. In der Tat hatte dieser Mann ein Minus auf seinem Beziehungskonto. Er müsste sich dann jedoch die Frage stellen:
    “ Bringe ich meinen Lieben genügend Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegen?“
    “ Bin ich verschwenderisch im Austausch von Liebe und Zärtlichkeiten?“
    Man bekommt immer das zurück, was man selbst bereit ist zu geben. Und das aus tiefstem Herzen!!
    Die Familie ist in dieser Geschichte auf ihn zugegangen, hat ihn sozusagen eingeladen, eine neue Erfahrung der Wertschätzung zu machen…..und vielleicht gab es ja ein Happy End ;-)

  2. Mir springt bei der Geschichte ein andere Aspekt der Ehe dieses Mannes ins Auge: Was für eine Ehefrau verlässt sich darauf, dass ihr Mann nach ein paar Drinks mit seiner Sekretärin nach hause geht, und wieso sollte sie in diesem Fall eine Überraschungsparty mit allen Kollegen und Bekannten dort planen? Nicht dass der Mann verteidigt werden müsse, ich sehe nur das Bild der „liebevollen, betrogenen Ehefrau“ auch nicht so richtig. Diese Aktion mutet mir eher als geplante öffentliche Erniedrigung aus genereller Verbitterung und Misstrauen an.

  3. habe heute auch geburtstag. sitze hier um 5.13Uhr morgens und will nicht schlafen. Denn ich weiss das nach dem aufwachen eh nichts besonderes sein wird….mein geburtstag ist also so wie jeder geburtstag in meinen 28 Jahren..einfach nur ein ganz normaler tag. Joa und sylvester, weihnachten etc. alles die selbe geschichte. Alleine, am aus dem fenster schaun, überlegen wie man sich endlich umbringen kann.

    Danke für deinen Text, sowas lenkt wenigstens ein wenig von der Situation ab.

    • Lieber Davut, zuerst mal wünsche ich Dir wirklich von Herzem alles Liebe und Gute zu Deinem Geburtstag! Dass Du auf meiner Seite bist, Dich mit meinen Themen beschäftigst und auch dass Dich diese Geschichte bewegt hat zeigt, dass Du ein großes Herz mit riesigem Potenzial mitbringst. Menschen die durch tiefe Täler gegangen sind, haben außergewöhnliche Fähigkeiten, die man sich nicht anlesen oder künstlich antrainieren kann. Diese Fähigkeiten sind mehr als wertvoll, für unzählige andere Menschen auf diesem Planeten. Ich bin davon überzeugt, dass Du das Leben von anderen Menschen extrem positiv beeinflussen und vielleicht sogar retten kannst, wenn Du Dein eigenes Leben rettest. Es lohnt sich! Auch ich komme aus einem tiefen Tal in meiner Vergangenheit und kann Dir sagen: Es lohnt sich!! Du bist ein großartiger Mensch mit sehr viel Gefühl und auch Mut – sonst hättest Du mir hier nicht geschrieben. Ich danke Dir dafür. Bitte nutze diesen Tag heute dafür, um Deinem Leben eine neue Richtung zu geben in eine lange und erfüllende Zukunft. In Dir steckt sehr sehr viel Potenzial, denn Menschen die diese Themen lieben, sind dazu gemacht, um die Herausforderungen der Zukunft zu begreifen. Es geht nicht mehr so weiter, wie uns das in der Vergangenheit gesagt wurde. Es ist Zeit für einen Wandel. Und wir brauchen Menschen wie Dich, die diese Themen lieben und somit ein Teil dieser neuen Denkweise werden können, was im Leben und in der Welt wirklich zählt.
      Alles Gute für Dich Davut! Ich glaube an Dich! 100%!! Dein Steffen Kirchner

      P.S.: Wenn wir Dir mit der Vermittlung einer fähigen Person helfen können, die Dich auf Deinem Weg unterstützen und Dein Lebensgefühl wieder stabilisieren kann, kontaktiere bitte mein Büro.

  4. Seit Du verheiratet bist sorgst Du für die finanzielle Basis Deiner Familie. Du machst Überstunden. Nicht etwa aus Ehrgeiz, sondern, Du betrachtest es als Investition in die Zukunft, um Dich später eventuell alle einmal in „normale Bahnen“ leiten zu können. Aber diese ersehnten „normalen Bahnen“ erreichst Du nie. Du wirst beruflich immer wieder zur Flucht nach vorn gezwungen. Machst Karriere, Widerwillens.
    Freizeit kennst Du kaum noch. Wegen des scheiß Geldes, welches Du und Deine Familie nun mal braucht, kennst Du kaum noch etwas anderes als zu arbeiten.
    Deine Erfolge heften sich nichtsnutzige überbezahlte Manager an die Weste; für Misserfolge musst Du natürlich herhalten. Erfüllung und Anerkennung – Fehlanzeige.

    Deine Frau arbeitet verkürzt, um sich um die Kinder zu kümmern.
    Schule, Elternabende, Musikunterricht, Training…
    Zum Ausgleich geht Sie 2 x die Woche zum Chor.
    Aus all dem ergeben sich jede Menge soziale Kontakte.

    Dein Freundeskreis besteht irgendwann nur noch aus dem Bekanntenkreis Deiner Frau.

    „Du denkst ja nur noch an Deine Arbeit. Während ich mich um die Familie kümmere.“
    Dauernd sind irgendwelche Konzerttermine, Wettkämpfe, Chorwerke.
    Alle in Deiner Familie verwirklichen sich irgendwie, während Du auch noch in die Rolle des Hausmeisters Eures zu Hauses geschlüpft bist.

    Wärme, Zuneigung, geschweige Sex – davon kannst Du nur noch träumen.
    Wer liebt schon solch eine Spaßbremse, die Du inzwischen geworden bist?
    Ist ja echt erbärmlich, wenn Du ab und zu angekrochen kommst. Sex – „Ihr Kerle seit doch alle schwanzgesteuerte Individuen.“

    Und dann, an deinem Geburtstag, scheint es Das Leben einmal gut mit Dir zu meinen. Du scheißt endlich ein mal auf all die Plichten und die Moral.
    Und da bekommst Du die Vorlage zum Suizid.

    Wer hat hier Arschloch-Mentalität?

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