Wie steht es um Ihre Aufmerksamkeit?

Ignoriert ein Fußballer oder Eishockeyspieler einen besser postierten Mitspieler und sucht dafür selbst den Abschluss, wird dieses Verhalten oft mit Egoismus abgekanzelt. Zugegebenermaßen trifft dieses Urteil in vereinzelten Fällen auch zu, doch meistens liegt die Ursache hierfür ganz woanders. Es handelt sich um ein Phänomen, dem amerikanische Psychologen vor einigen Jahrzehnten den Fachbegriff „Inattentional Blindness“ verliehen haben – zu Deutsch: Unaufmerksamkeitsblindheit.

Was ist Unaufmerksamkeitsblindheit?

Vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich dabei um das Nichtwahrnehmen von Objekten, Umständen oder Chancen, aufgrund der eingeschränkten Verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns. Unser Gehirn muss nämlich selektieren, welche Informationen relevant sind und welche weniger. Worauf wir uns also fixieren bzw. versteifen, entscheidet darüber, welche Reize von unserem Denkapparat als mehr bzw. weniger relevant eingestuft werden, was die Erklärung dafür liefert, warum wir Teile der Realität von Zeit zu Zeit großzügig übersehen. Man ist sprichwörtlich „blind“ für andere Dinge, für Chancen oder für den besser postierten Mitspieler im oben genannten Beispiel.

Um Ihnen dieses Prinzip näher vor Augen zu führen, darf ich Sie auf den mittlerweile relativ bekannten, aber immer noch interessanten Selbsttest aufmerksam machen, den die University of Illinois im Jahr 1999 veröffentlichte. Sehen Sie sich das folgende Video an. Ihre Aufgabe ist: Zählen Sie die Anzahl der Pässe, die sich die Spieler des weißen Teams gegenseitig zuwerfen. Hier gehts zum Video.

Wir sehen, was wir sehen wollen.

Und, haben Sie den schwarzen Gorilla beim ersten Mal gesehen? Wissenschaftler haben diesen Test mit hunderten von Versuchspersonen durchgeführt und ausgewertet. 54 Prozent bemerkten den „Zwischenfall“, 46 Prozent nicht. Und weiter: Die Versuchspersonen, die das schwarze Team beobachteten, bemerkten den Gorilla öfter als die, die das weiße Team im Fokus ihrer Aufmerksamkeit hatten (Schwarz 58 %, Weiß 27 %).
Was lernen wir daraus? Der Mensch nimmt nur Details von dem wahr, worauf er seine Aufmerksamkeit richtet, bzw. von Dingen, die dem Gegenstand der Aufmerksamkeit ähnlich sind. Oder kurz gesagt: Wir nehmen das war, was wir als wichtig definieren.
Das bedeutet, dass wir uns immer wieder gezielt bewusst machen müssen, wohin unsere Reise im Leben gehen soll und worauf wir uns dann dementsprechend konzentrieren müssen. Das fällt manchmal leichter, manchmal schwerer (je nachdem wieviele Gorillas durch ihr Leben turnen). Fakt ist: Lernen und verbessern kann es jeder!
Wenn Sie den Gorilla in der Übung nicht gesehen haben, so ist das kein Problem, sondern eher ein Beweis dafür, dass Sie sehr gut auf die wesentliche Aufgabe (Pässe zählen) fokussiert waren. Sie haben sich vom Gorilla nicht ablenken lassen.

Worauf richten Sie täglich Ihre Aufmerksamkeit?

Nun eine provokative Frage: Wer oder was ist der Gorilla in Ihrem Leben? Falls Sie nun an Ihren Ehemann oder Chef denken….. auf eine optische Gemeinsamkeit wollte ich niemals hinweisen :-)
Aber mal ganz im Ernst: Worauf richten Sie in Ihrem Leben Ihre Aufmerksamkeit? Womit beschäftigen Sie sich überwiegend? Was treiben sich in Ihrem Kopf überwiegend für Gedanken und Bilder herum? Denn genau das, womit Sie sich überwiegend beschäftigen, verursacht in Ihrem Inneren bestimmte Gefühle, die sich auf Ihr Wohlbefinden auswirken.
Was wollen Sie in Ihrem Leben wahrnehmen? Von wem oder was lassen Sie sich ablenken? Und wem geben Sie noch die Schuld dafür, dass Sie abgelenkt werden? SIE lassen sich ablenken! Sie sind verantwortlich dafür, nicht der Gorilla.
Worauf müssten Sie Ihre Aufmerksamkeit lenken, um Ihre Ziele zu erreichen und auf Ihrem persönlichen Erfolgsweg weiter voran zu kommen?

Unaufmerksamkeitsblindheit im Profisport (und Unternehmen).

Sportwissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln fanden heraus, dass Fußballer innerhalb eines Spiels mit mehr Informationen bombardiert werden, als ihre Verarbeitungskapazität im Gehirn zulässt. Übermäßig viele Instruktionen durch den Trainer während des Spiels/Trainings können dazu führen, dass sich ein Spieler vor allem auf deren Einhaltung konzentriert und andere Aktionen unterlässt, die er ohne diese Anweisungen ausgeführt hätte.
Quintessenz der Forscher: Training und Anweisungen sind gut, doch zu viele Anweisungen lenken die Spieler ab und nehmen ihnen die Kreativität. Die Empfehlung lautet, Lösungswege nicht nur vorzugeben, sondern sie auch von den Sportlern selbst liefern zu lassen.

Für Unternehmen gilt das Gleiche. Wer Mitarbeiter mit zuvielen Informationen überfrachtet, oder wer seine Angestellten zu Tode schult, braucht sich nicht wundern, wenn diese Personen über kurz oder lang blind werden für andere wichtige Teilbereiche in der Firma. Der Blick fürs große Ganze geht alleine schon aus neurobiologischer Sicht zwingend verloren, da der Mitarbeiter im Tunnelblick seines Jobs ist und nicht mehr über den eigenen Schreibtischrand hinaussehen kann. „Fachidiot schlägt Kunde tot.“ Ein schöner Spruch meines geschätzten Kollegen Hermann Scherer. Und er hat Recht damit, denn auf dem Auge für Menschengespür wird man blind, wenn die Aufmerksamkeit auf Bürokratie und Umsatzzahlen fixiert ist.

Gezielt erblinden für Unwesentliches.

Die wichtigste Lernerkenntnis aus dem Gorilla-Beispiel ist, dass wir das Phänomen der Unaufmerksamkeitsblindheit auch gezielt positiv für uns nutzen können. Denn indem Sie sich bewusst entscheiden, worauf Sie Ihren gesamten Fokus und Ihr tägliches Handeln ausrichten, zwingt Ihre Aufmerksamkeit in genau die entsprechende Richtung. Das Geniale daran ist, dass daraus eine Blindheit für alles Nebensächliche resultiert, die nichts mit dem Kern dessen zu tun haben, worauf Sie sich konzentrieren. Störenfriede, Jammerlappen und Meckerziegen sind zwar immer noch da, aber Sie nehmen diese Menschen in dem Verhältnis weniger intensiv war, wie Sie das Level Ihrer Aufmerksamkeit für die gewünschte Sache intensivieren.
Das Gleiche gilt übrigens für die tägliche Manipulation und Volksverdummung durch die ständige Medienberieselung. Nicht umsonst kommt das Wort „Unterhaltung“ von „unten halten“. Wer nach oben will, muss seinen Fokus auch selbst nach oben ausrichten, damit er blind wird für diejenigen, die unter ihm stehen und versuchen ihn runterzuziehen.

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Ein Gedanke zu „Wie steht es um Ihre Aufmerksamkeit?

  1. Hi Steffen,

    herzlichen Dank für deine motivierende Zeilen, herzlichen Dank

    Mit Licht und Liebe
    Hasan Akif Sahin

    Du bist für mich ein Mensch, den ich gerne Nachsehne.
    Danke mit viel Liebe

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