Zerstört der FC Bayern die Fußball Bundesliga?

Mentaltrainer Steffen Kirchner macht sich Gedanken über den FC Bayern und seine derzeitig scheinbar „übermächtige“ Rolle in der Fußball Bundesliga. Der Profisport- und Motivationsexperte erklärt, warum die Vormachtstellung der Münchner keine Gefahr, sondern eine Chance für die Liga ist und welche mentale Einstellung die Konkurrenz braucht, um von Bayerns Extraklasse selbst zu profitieren.

„Ich verstehe die Sorge der Bundesliga-Manager Völler, Bruchhagen etc., dass der FC Bayern in diesem Jahr die eigene Mannschaft (sowie die ganze Liga) gewaltig überrennen könnte und sich damit erneut sehr frühzeitig mit enormem Vorsprung die Deutsche Meisterschale sichert. Nach den ersten Testspielen der Truppe von Trainer Pep Guardiola gegen Hamburg (4:0) und Gladbach (5:1) zittert die Liga vor der Übermacht aus dem Süden Deutschlands. Aber jetzt mal ganz ehrlich: Liegen die jüngsten Kantersiege (sowie die vielen haushohen Siege in der letzten Saison) nur am übermächtigen FC Bayern, oder nicht auch zu einem großen Teil an der schlicht und einfach (unter)durchschnittlichen Qualität & Leistung der Konkurrenz? Als jemand, der definitiv keine Fanbrille von irgendeinem Club trägt, muss ich ganz ehrlich sagen: 30% der Münchner Tore sind überragend herausgespielt und sehr schwer zu verteidigen. Aber 70% resultieren aus teils haarsträubenden Fehlern der Gegner. Der FC Bayern zeigt der Liga nicht nur seine eigene Stärke, sondern vor allem die fehlende Qualität und Durchschnittlichkeit der Gegner. Und das ist es, was vielen wirklich so weh tut!

Das Geschrei ist nun groß. Es werden Vorwürfe an die Münchner gerichtet, die Liga uninteressant und einseitig zu machen. Die Vormachtstellung eines einzelnen Vereins, der höchstens von seiner eigenen B-Elf bezwungen werden könnte, wird scharf verurteilt. Die „Kleinen“ der Liga, sind dieser Überlegenheit hoffnungslos ausgeliefert und müssten sich wehrlos ihrem Schicksal ergeben, so der Tenor sinngemäß.
Dieses Verhalten basiert auf einer falschen Einstellung. Der eigene Anspruch sowie der Fokus vieler Bundesligateams scheint nicht nach vorne ausgerichtet zu sein, denn die Meisten beschäftigen sich mit der falschen Frage. Diese lautet: „Wie können wir den FC Bayern besiegen?“
Die viel richtigere und wichtigere Frage, die man sich in der Bundesliga (wie übrigens auch generell im Leben) stellen muss ist: „Was kann ich an der momentanen Situation kontrollieren?“ Denn es gibt nur einen wesentlichen Leitsatz für Erfolg in einer derartigen Situation: KONTROLLIERE WAS DU KONTROLLIEREN KANNST!

Fakt ist, dass der FC Bayern wohl auch dieses Jahr kaum zu schlagen sein wird. Doch das ist nichts, was kontrollierbar wäre, denn die Qualität des FC Bayern kann man kaum kontrollieren. Die viel entscheidenderen Fragen sind daher doch für 15-16 Mannschaften der Liga gar nicht, wer den FC Bayern besiegen kann oder wer Deutscher Meister wird, sondern vielmehr diese:
– Welchen Anspruch haben wir als Team/Verein an uns?
– In was für ein Team, mit welcher Größe & Qualität wollen wir uns mittelfristig hineinentwickeln?
– Was kann uns besser machen?
– Was können & müssen wir selbst besser machen?
– Auf welchem Niveau arbeiten wir auf und neben dem Platz? Passt dieses Niveau zu unserem Anspruch? Passt dieses Niveau auch dazu, dass wir unsere jetzigen Fans & Sponsoren auch noch in 5-10 Jahren begeistern wollen?

Aus meiner Sicht zeigt die derzeitige Lage in der Fußball Bundesliga eine sehr schöne Parallele zur allgemeinen gesellschaftlichen Situation. Es gibt ein paar Wenige, die einfach nicht gut genug sind und zu wenig Fähigkeiten haben. Das sind die Absteiger. Dann gibt es auch ein paar sehr Wenige, die absolut überragend sind und immer mit an der Spitze stehen werden. Das sind Titelanwärter (wie der FC Bayern oder auch Borussia Dortmund). Die Masse allerdings, schwimmt im Alltagstrott des Mittelmaßes dahin. Wie wäre es, wenn man die „Übermacht“ des FC Bayern dazu nutzt, um dadurch sein eigenes Niveau massiv zu steigern? Warum lassen sich die meisten von der Klasse eines anderen so herunterziehen? Es geht nicht darum, eines Tages besser zu sein als die Bayern, sondern darum, sich selbst als Club komplett neu zuerfinden und die eigene Qualität durch das Vorbild eines Größeren auf ein neues Level anzuheben.
Erfolgsregel: Verlierer lassen sich von der Größe der Konkurrenz deprimieren. Gewinner lassen sich von der Größe der Konkurrenz inspirieren.

Fakt ist, dass die Masse in der Bundesliga genauso wenig das Beste aus sich herausholt, wie die Masse der Leute in unserer Gesellschaft. Die Frage ist immer, an wem ich mich orientiere und welchen Anspruch ich habe. Vergleicht sich Leverkusen mit Schalke, Schalke mit Gladbach und Gladbach mit dem HSV, so kommt nicht viel Neuentwicklung dabei heraus, denn alle diese Teams sind in etwa auf einem ähnlichen Level. Woran orientiert sich also dann der Durchschnitt, der angeblich Ambitionen hat nach oben kommen zu wollen? Mit Gleichartigen?
Erfolgsregel: Nur die Besten machen die Guten noch besser!

Es ist seit jeher im Sport klar zu sehen, dass durch Einen der einfach besser ist, auch plötzlich manch Anderer plötzlich auf ein ähnliches oder zumindest deutlich höheres Niveau kommt als bisher. Beispiel Tennis: Ohne die „Tennis-Lichtgestalt“ Roger Federer gäbe es keine Kaliber wie Rafael Nadal, Nowak Djokovic, Andy Murray usw.. Es gäbe auch keinen Tommy Haas in der Form von heute. Denn auch Tommy orientiert sich an der Spitze und nicht an der Nummer 36 der ATP Weltrangliste. Tommy Haas orientierte sich immer am Federer-Niveau und nicht an Philipp Kohlschreiber und Co..

Dieses Muster war schon immer so, denn nur auf diese Weise entwickeln sich Menschen (und somit auch Teams oder der Sport im Allgemeinen) weiter. Tennislegende Pete Sampras machte André Agassi besser, Welttorhüter Oliver Kahn machte Jens Lehmann besser und Golf-Superstar Tiger Woods machte Martin Kaymer besser. Alle diese Topleute schaffen ein neues Niveau/Level und somit einen neuen Raum, in dem sich auch diejenigen zu mehr Größe entwickeln können, die dafür bereit sind, diesen Raum zu betreten und zu lernen, anstatt jammernd davor zu sitzen und sich über die Größe der Anderen zu beschweren, die schon in diesem Raum sind.
Daher mein Appell an den Durchschnitt: Kontrolliert was ihr kontrollieren könnt, und zwar Euch selbst. Lasst Euch von den Besten inspirieren und erobert ein neues Level Eurer Möglichkeiten, anstatt den kleinlauten Underdog zu spielen.“

„DIE GROSSEN HÖREN AUF ZU HERRSCHEN, WENN DIE KLEINEN AUFHÖREN ZU KRIECHEN.“ – Zitat Friedrich Schiller

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